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Teil
1
Was ist eigentlich “Instinktives Schießen“?
Beim
“Instinktiven Schießen“ benutzt der Bogenschütze lediglich seine
Hand-Auge-Körper Koordination und sein unterbewußtes Gedächtnis um
seinen Pfeil ins Ziel zu lenken. Mit
anderen Worten, der Schütze schießt seinen Pfeil auf den Punkt, den er
konzentriert anschaut, ohne dabei die Entfernung zu diesem Punkt bewußt
zu schätzen und ohne dabei Hilfsmittel wie ein Visier oder Referenzpunkte
zu benutzen.
Diese Erklärung klingt sehr simpel, wahrscheinlich werden jedoch die
meisten Leser dieser Aussage sehr skeptisch gegenüber stehen und sich
fragen wie so etwas überhaupt funktionieren kann.
Mir erging es genauso als ich vor einigen Jahren die Einleitung zu G. Fred
Asbell´s Buch "Instinctive Shooting" las. Ich konnte mir nicht
ganz vorstellen, daß man präzise Pfeil und Bogen schießen kann ohne
irgendeine Art von Visier- bzw. Referenzsystem zu benutzen.
Denn zu dieser Zeit war ich vom
Compoundbogen mit Visier und Release auf einen Recurvebogen ohne jegliche
Zieleinrichtung umgestiegen und meine Schießergebnisse gingen drastisch
"in den Keller" um nicht zu sagen sie waren "mehr als
lausig".
Ich wußte, daß ich vorher präzise Treffer nur anbringen konnte, wenn
mein Visier genau eingestellt war, und ich die Entfernung zum Ziel
ziemlich genau schätzen konnte. Und nun behauptete einer, daß dies alles
gar nicht notwendig wäre.
Was allerdings für G. Fred Asbell´s Behauptung sprach, waren die Videos,
die ich mir angeschaut hatte. Sie zeigten Bogenjagdpioniere wie Fred Bear,
Ben Pearson oder Howard Hill bei ihren Jagdausflügen, bzw. bei ihren
Schießvorführungen. Es war faszinierend diese Schützen zu beobachten.
Sie schossen einen "fließenden Stil", und es sah aus als würden
sie überhaupt nicht ankern und zielen, bevor sie die Sehne losließen.
Und das Verwunderliche daran war, daß sie mit diesem Stil meist immer ins
Ziel trafen ( zumindest im Video ).
Irgendwie hatte dieses “Instinktive Schießen“ für mich etwas
mystisches an sich und ich glaube dies war auch der Reiz für mich, meinen
Compoundbogen mit Visier in die Ecke zu legen und etwas ganz Neues zu
beginnen, das für mich außerdem zu diesem Zeitpunkt
noch nicht ganz begreifbar war.
Um es kurz zu machen, ich habe mich Kapitel um Kapitel durch das Buch
"Instinctive Shooting" gelesen, setzte die angelesene Theorie in
die Praxis um und stellte fest, daß meine Schießergebnisse nach einer
gewissen Zeit wieder besser wurden. Ich möchte jedoch nicht verschweigen,
daß diese Zeit aber auch mit Phasen der Frustration und der Enttäuschung
durchsetzt war.
Heute bin ich mit meinen Schießergebnissen zufrieden, und weiß, daß ich
meinen persönlichen Schießstil
gefunden habe.
Da man mich in letzter Zeit
auf den Turnieren immer öfter auf meinen Schießstil angesprochen hat und
das Interesse am “Instinktiven Schießen“ wächst, habe ich mich
entschlossen diese Serie zu schreiben, um den interessierten Schützen die
Bewegungsabläufe und -zusammenhänge zu erklären und anhand einer
schrittweisen Einführung, den Einstieg in diesen Schießstil zu
erleichtern.

"Instinktives Schießen" nach G.Fred
Asbell im Ablauf
Womit wir wieder bei der Eingangsfrage " Was ist eigentlich
“Instinktives Schießen“ ?" und der darauf folgenden Erklärung wären.
Wie können wir uns Hand-Auge-Körper Koordination vorstellen? Diese
Koordination vom Körper und der Hand, gesteuert vom Auge und dem "dahintergeschalteten"
Gehirn benutzen wir tagtäglich mit einer solchen Selbstverständlichkeit,
daß wir uns darüber überhaupt keine Gedanken mehr machen.
Nehmen wir zum Beispiel das Einschalten eines Lampenschalters. Wir schauen
auf den Schalter, strecken den Zeigefinger aus und drücken darauf. Wir
machen uns keinerlei Gedanken über die Entfernung des Körpers zum
Lampenschalter oder über den aufzubringenden Fingerdruck. Wir tun einfach
das, was wir schon tausende Male vorher gemacht haben. Dies ist ein
einfaches Beispiel von Hand-Auge-Körper Koordination in Verbindung mit
dem unterbewußten Gedächtnis. Wir rufen diesen Vorgang, den wir schon so
oft wiederholt haben und der sich dadurch eingeprägt hat, einfach ab und
führen ihn aus ohne speziell darüber nachzudenken.
Oder ein anderes Beispiel: Wir sitzen am Schreibtisch, knüllen ein Blatt
Papier zusammen und werfen es in den Papierkorb, der in der Ecke steht.
Wir machen uns dabei keine Gedanken über die Entfernung zum Papierkorb
oder über das Gewicht der Papierkugel. Wir schauen einfach auf den
Papierkorb und werfen die Papierkugel in diese Richtung. Steht der
Papierkorb immer in dieser Ecke, dann ist die Chance, daß die Papierkugel
im Korb verschwindet sehr groß. Steht der Papierkorb allerdings zum
ersten Mal in dieser Ecke, dann können wir diesen Wurf nicht aus dem Gedächtnis
abrufen, weil wir ihn noch nie ausgeführt haben. Die Chance zu treffen
verringert sich damit gewaltig.
Das gleiche gilt beim Schneeball oder Basketball werfen. Wir schauen auf
das "Ziel" und werfen ohne darüber nachzudenken. Wir rufen
jeden Wurf aus unserem Gedächtnis ab und führen ihn aus. Je mehr wir
diese Würfe trainieren und uns die Trefferlage einprägen, desto größer
ist die Auswahl an vorhandenen und abrufbaren Würfen. Das Auge schaut zum
Ziel, das Gehirn berechnet unterbewußt die Entfernung und ruft den
entsprechenden Wurf aus dem Gedächtnis ab. Der Rest ist dann nur noch
unterbewußte Koordination von Körper und Hand, wobei das Gehirn der Hand
sagt wann sie den Ball loszulassen hat.
Setzen wir dies auf das Bogenschießen um, dann entsteht folgender Ablauf:
Das Auge erfaßt das Ziel und konzentriert sich auf einen möglichst
kleinen Punkt darauf. Das Gehirn berechnet unterbewußt die Entfernung zum
Ziel und ruft den entsprechenden eingeprägten Schuß aus dem Gedächtnis
ab. Die Hand, die den Bogen hält bewegt sich nach oben und gleichzeitig
wird die Sehne mit der anderen Hand gespannt. Sobald die Bogenhand die
richtige Höhe erreicht hat gibt das Gehirn den Befehl "Stop".
Wenn die andere Hand den Ankerpunkt im Mundwinkel erreicht hat kriegt sie
den Befehl vom Gehirn, die Finger zu öffnen und somit die Sehne zu lösen.
Alles läuft unterbewußt nach einem eingeprägten Schema ab.
"Instinktives Schießen" ist also für diesen Schießstil der
falsche Ausdruck, denn wir schießen ja nicht instinktiv, also angeboren,
sondern antrainiert und eingeprägt. "Unterbewußtes Schießen"
würde diesen Schießstil besser beschreiben. Da aber "Instinktives
Schießen" als Ausdruck weltweit etabliert ist, werde ich ihn in
dieser Serie beibehalten.
Wenn wir uns den “instinktiven“ Schießstil einmal näher anschauen,
werden wir feststellen, daß er nicht für alle Bogenschützen gleichermaßen
geeignet ist. Er bringt große Vorteile für Schützen, die mit Pfeil und
Bogen jagen gehen, (Bogenjagd ist in Deutschland nicht erlaubt) sowie für
Schützen, die bei 3-D Turnieren ohne Entfernungsangabe, unter jagdähnlichen
Gegebenheiten, naturgetreu nachgebildete Kunststofftiere erlegen. Der Schütze
kann sich dabei voll auf sein Ziel konzentrieren, ohne vorher bewußt die
Entfernung zu schätzen und die Gegebenheiten der Landschaft zu berücksichtigen.
Gerade bei der Bogenjagd, wo manchmal Bruchteile von Sekunden entscheidend
sind, ist dies ein großer Vorteil.
Für Bogenschützen, die vorwiegend von Abschußmarken mit bekannten
Entfernungen zur Zielscheibe
schießen und möglichst hohe Punktzahlen erreichen möchten, ist der
“instinktive“ Schießstil weniger geeignet. Diese Schützen werden mit
ihrem Visier auf jeden Fall präziser schießen und höhere Punktzahlen
erreichen.
Der größte Nachteil des “instinktiven“ Schießstils liegt allerdings
im Trainingsaufwand, den man betreiben muß um treffsicher schießen zu können,
falls man dies überhaupt einen Nachteil nennen möchte.
Mit diesen Erläuterungen hoffe ich die Zusammenhänge und Abläufe verständlich
gemacht und das Interesse am
“instinktiven“ Schießstil geweckt zu haben.
Im nächsten Teil geht es weiter mit der geeigneten Ausrüstung und der
schrittweisen Einführung in die Technik und die Bewegungsabläufe dieses
Schießstils.
©
R.Blacky Schwarz
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