Teil 2

 

                                                                                                                                       
Bevor wir in diesem Teil zur geeigneten Ausrüstung kommen und mit der schrittweisen Einführung in die Technik des "instinktiven" Schießstils beginnen, möchte ich gern ein Thema voran stellen, das meiner Meinung nach den größten Einfluß darauf hat, ob wir unseren Pfeil ins Ziel lenken oder ob wir nach dem Schuß unseren Pfeil suchen müssen.

Wohin fliegt mein Pfeil ?

Um dieses näher zu betrachten, stellen wir uns vor, daß der Pfeil ein langer Stab wäre, der irgendwo auf seiner Länge einen Drehpunkt besitzt (nämlich dort, wo der Pfeil gerade auf dem Bogen aufliegt). Die genaue Lage dieses Drehpunktes ist dabei zum Verständnis des Beispiels vernachlässigbar.
Wenn wir nun diesen Stab an einem Ende, egal ob vorne oder hinten bewegen, verändert sich sofort die Richtung des Stabes. Verschieben wir allerdings den Drehpunkt nach vorn oder hinten, ohne dabei ein Ende des Stabes zu bewegen, dann ändert sich die Richtung des Stabes nicht.
Übertragen wir diese Erkenntnis auf unseren Pfeil, würde das folgendes bedeuten:
Wir legen den Pfeil auf, zeigen mit dem Pfeil auf unser Ziel, ziehen aus ( was einer Verlagerung des Drehpunktes am Stab gleichkommt) und lösen die Sehne, aber ohne dabei die Richtung des Pfeiles zu verändern. Wenn wir das alles richtig gemacht haben, dann fliegt der Pfeil genau ins Ziel.
Die meisten Leser werden mir jetzt wahrscheinlich vorwerfen, daß ich das Schießen mit Pfeil und Bogen an dieser Stelle wohl etwas "übervereinfache". Und ich muß gestehen, daß sie damit natürlich recht haben. Was ich mit diesem Beispiel jedoch zeigen möchte ist folgendes:
Der Pfeil fliegt immer in die Richtung in die er beim Verlassen des Bogens zeigt, vorausgesetzt, daß der Pfeil auf den Bogen und den Schießstil abgestimmt ist.

Sollte also unser Pfeil im vorangegangenen Beispiel links vom Ziel einschlagen, dann kann das nur zwei Ursachen haben. Entweder die Pfeilspitze wurde nach links bewegt, oder das Nockende des Pfeiles wurde nach rechts bewegt.
Schlägt der Pfeil rechts vom Ziel ein, dann wurde das Spitzenende nach rechts oder das Nockende nach links bewegt.
Schlägt der Pfeil oberhalb des Zieles ein, dann wurde die Spitze nach oben oder das Nockende nach unten verschoben.
Liegt die Trefferlage unterhalb des Zieles, wurde die Spitze nach unten oder das Nockende nach oben verschoben.
Natürlich sind auch alle erdenklichen Kombinationen möglich, deren Aufzählung ich mir und dem Leser hier allerdings ersparen möchte. Ich vermute, daß die meisten Leser sowieso bereits die vorangegangenen Erklärungen als zu langweilig und zu einfach eingestuft haben.
Aber gerade die einfachen Ursachen werden bei Problemen mit der Trefferlage oft übersehen.
Wer sich auf Turnieren einmal umschaut wird viele Beispiele dafür sehen. Da wird die Hand beim Lösen der Sehne nach rechts weggerissen, die Bogenhand wird beim Abschuß verdreht oder nach unten fallen lassen um nach dem Pfeil zu schauen oder die Kopfhaltung ist bei jedem Schuß anders, um nur einige zu nennen.
Sobald diese Schützen allerdings Probleme mit der Trefferlage ihrer Pfeile haben, dann wird es oft auf die falsch abgestimmten Pfeile, die erwärmten und dadurch schwächeren Wurfschenkel oder den abgenutzten Schießhand geschoben.
Die einfachen Ursachen, die Probleme mit der Trefferlage verursachen können, werden meist übersehen. Sollte ein Pfeil links vom Ziel stecken, wissen wir nun, daß dies durch ein Verschieben der Spitze nach links, wie es beim Verdrehen der Bogenhand passiert oder durch ein Verschieben des Nockendes nach rechts, wie es oft beim Wegreißen der Zughand beim Lösevorgang geschieht, verursacht werden kann. ( Dieses Beispiel gilt beim Rechtshandschützen )
Wenn wir dies berücksichtigen und bei Problemen mit der Trefferlage verstehen warum der Pfeil nach links, nach rechts oder sonstwohin geflogen ist, dann ist die Chance groß, daß wir unsere Probleme recht schnell und einfach lösen können.

Die geeignete Ausrüstung 

Die Technik des "instinktiven" Schießens bleibt die gleiche, egal ob man einen Recurve-, Compound- oder Langbogen schießt. Von daher sind alle drei Bogenarten zum "instinktiven" Schießen geeignet.
Das "Let-Off" beim Compoundbogen, das ist die Zuggewichtsreduzierung bei vollem Auszug, erzeugt allerdings ein total anderes Gefühl beim Ausziehen, als dies bei Lang- und Recurvebogen der Fall ist, wo bei vollem Auszug auch das höchste Zuggewicht an den Fingern ansteht.
Beim Einsetzen des "Let-Off", nach circa der Hälfte bis zwei Drittel der Auszugslänge, finde ich wird die fließende Bewegung unterbrochen und die Tendenz den Bogen bei vollem Auszug, wegen des dann geringen Zuggewichts, zu halten um den Zielpunkt zu korrigieren, wirkt dem Bewegungsablauf beim "instinktiven" Schießen entgegen.
Dieser Bewegungsablauf, bei dem die Zughand die Sehne löst, sobald sie den Ankerpunkt erreicht, wird vom Recurve- und Langbogen unterstützt, da das Zuggewicht mit zunehmendem Auszug steigt.
Der Hauptunterschied beim Schießen zwischen Lang- und Recurvebogen ist die Stellung der Hand am Griffstück. Während der Langbogen fast immer so geschossen wird, daß der Handballen auf dem Griffstück aufliegt, wird beim Recurvebogen eine gestreckte Handstellung bevorzugt, bei der das Griffstück nur zwischen Zeigefinger und Daumen gehalten wird.
Da wir beim "instinktiven" Schießen unsere Hand-Auge-Körper Koordination nutzen um auf den Punkt zu schießen, den wir konzentriert anschauen und auf den wir mit der Bogenhand zeigen, finde ich den Recurvebogen, wegen der Handstellung am Griffstück, am besten geeignet um "instinktives" Schießen zu lernen, da die Stellung der Hand am Griffstück, der Stellung einer auf etwas zeigenden Hand am Nächsten kommt.
Was natürlich nicht heißen will, daß man mit dem Compound- oder Langbogen nicht auch diesen Schießstil erlernen kann. Ich finde nur, daß "instinktives" Schießen mit dem Recurvebogen einfacher als mit den anderen beiden Bögen zu erlernen ist.



Hand-Auge-Körper Koordination

Wir nutzen beim "instinktiven" Schießen nur unsere Fähigkeit der Hand-Auge-Körper Koordination um den Pfeil ins Ziel zu lenken. Ich weiß, daß ich diesen Satz schon des Öfteren wiederholt habe, und ich werde ihn bis zum Ende dieser Serie wahrscheinlich noch ein paarmal wiederholen. Wir sollten uns diesen Satz einprägen, uns beim Schießen dieser Fähigkeit bewußt werden und sie voll nutzen.
Wir tun eigentlich nichts anderes als uns mit dem Auge auf das Ziel zu konzentrieren und mit dem Zeigefinger der Bogenhand darauf zu zeigen. Nur gehen wir einen Schritt weiter, nehmen einen Bogen in die Hand, mit der wir auf das Ziel zeigen und ziehen den Pfeil zurück unter das Auge, mit dem wir uns auf unser Ziel konzentrieren.
Wenn wir nun beim Zeigen der Bogenhand auf das Ziel, den Pfeil möglichst nah an die Hand kriegen, erleichtern wir unserem Gehirn die Arbeit. Deshalb empfehle ich, den Pfeil vom Griffstück des Bogens herunter zu schießen. Dies wird oft auch "schießen vom shelf" genannt. ( Der amerikanische Begriff "shelf", der den Teil des Griffstücks beschreibt, auf dem der Pfeil liegt, ist bei deutschen Bogenschützen zwischenzeitlich ein gängiger Begriff. )  Dieser "shelf" sollte möglichst nahe an der Bogenhand und mit einem kurzgeschorenem Stück Fell oder mit Kunststoff-Schlingenmaterial als Pfeilauflage versehen sein.
Natürlich kann man "instinktiv" auch mit einer hochgesetzten Pfeilauflage schießen. Das Gehirn berechnet, daß der Pfeil höher liegt als die Hand die zum Ziel zeigt und nimmt dementsprechend die Änderung in der Haltung des Bogenarms vor. Zum Erlernen des "instinktiven" Schießens ist es aber viel einfacher, wenn der Pfeil auf gleicher Höhe der Bogenhand liegt.

Die meisten Recurvebogen mit Holzgriffstück sind so gearbeitet, daß das "shelf" als Pfeilauflage genutzt werden kann. Abhängig von der Konstruktion des Bogens kann das "shelf" sehr nah über der Hand oder aber auch etwas höher über der Hand liegen. 
Manche Holzgriffstücke sind so gearbeitet, daß ein Schießen vom "shelf" ganz unmöglich ist. Das ist vor allem bei maschinengefertigten Bögen der Fall. Hier bleibt dann nur der Griff zur Feile, was allerdings die Herstellergarantie erlöschen läßt, oder die Möglichkeit einer höhergesetzten Pfeilauflage. Diese sollte dann aber so nah als möglich über der Hand installiert werden.
Bei meinen Bögen habe ich das "shelf" so nachgearbeitet, daß der Pfeil etwa in Höhe des Zeigefingers liegt, wie man aus dem Bild erkennen kann. Mein Pfeil zeigt deshalb auf den gleichen Punkt, auf den mein Zeigefinger deuten würde, wenn ich ihn ausstrecke. Mein Zeigefinger, mein Pfeil und mein Bogen arbeiten beim Schießen als eine Einheit zusammen, gleichwohl ich beim Schießen weder den Finger ausstrecke, noch auf den Pfeil schaue.
Eine derart nachgearbeitetes Griffstück ist keine Voraussetzung für gutes "instinktives" Schießen, für mich funktioniert es allerdings so am besten. Die meisten Schützen würden es sowieso nicht übers Herz bringen an ihrem geliebten Bogen herumzufeilen.
Zusammenfassend kann man sagen, daß der Pfeil, der nahe über der Hand liegt, der erste Schritt in der Technik und dem Bewegungsablauf des "instinktiven" Schießens ist.

 

Im nächsten Teil geht es weiter mit der schrittweisen Einführung in die Technik und die Bewegungsabläufe dieses Schießstils.

© R.Blacky Schwarz