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Teil
5
Das Greifen der Sehne und
die Stellung der Zughand
Wie
ich die Sehne greife und welche Stellung meine Zughand dabei hat, dürfte
doch eigentlich keinen großen Einfluß auf mein instinktives Schießen
haben, werden sich wahrscheinlich einige Leser beim Lesen dieser Überschrift
denken. Welchen Einfluß es tatsächlich hat, möchte ich im folgenden Kapitel erläutern.
Wenn wir uns unsere ausgestreckte Zughand etwas genauer anschauen, müssen
wir feststellen, daß unsere Hand von Natur aus nicht für das Bogenschießen
konstruiert wurde. Unsere ersten drei Finger, die wir zum Ziehen der Sehne
brauchen, sind alle unterschiedlich lang und die Rillen nach dem ersten
Gelenk (von der Fingerkuppe aus gesehen)
liegen nicht in einer vertikalen Flucht. Wenn man allerdings die
Finger krümmt, und zwar den Mittel- und den Ringfinger etwas mehr als den
Zeigefinger, dann erreicht man eine Stellung der Finger, bei der die
Rillen des ersten Gelenkes ziemlich genau in einer Flucht liegen. In diese
durchgehende Rille wird nun die Sehne gelegt und mit der Zughand gespannt.
Beim Ziehen der Sehne sollte man versuchen die Finger etwas zu entspannen,
so daß die Sehne kurz vor der ersten Rille zum Liegen kommt, und nur noch
von den Fingerkuppen gehalten wird. Diese Haltung begünstigt ein sauberes
Lösen der Sehne, da der Weg der sich öffnenden Finger dabei sehr kurz
ist. (Bild 1) Bei Bögen mit leichterem Zuggewicht fällt es natürlich
leichter die Finger zu entspannen und dennoch die Sehne mit den
Fingerkuppen sicher zu halten, als bei Bögen mit hohem Zuggewicht. Man
sollte auf jeden Fall die Finger soweit krümmen, bis man sich sicher fühlt,
die Sehne ohne Probleme halten zu können. Es bringt nicht viel, wenn die
Sehne nur auf den Fingerkuppen aufliegt und ganz sauber gelöst wird, dies
aber bereits geschieht, bevor die Zughand ihren Ankerpunkt im Gesicht
erreicht hat.
Warum ist der Grad der Fingerkrümmung so wichtig?
Wenn wir von oben auf unsere, die Sehne greifende, Zughand schauen und
dabei die Finger krümmen, können wir sehen, wie mit zunehmender Krümmung
mehr und mehr der Fingerkuppen auf die linke Seite der Sehne verlagert
werden (bei Rechtshandschützen). Da wir den Ankerpunkt im Gesicht aber
meist nur mit den Fingerspitzen berühren, wandert die Sehne und damit das
Nockende des Pfeiles mit zunehmender Fingerkrümmung vom Gesicht weg nach
außen. Ein Pfeil bei dem das Nockende aber nach rechts verschoben wird,
bekommt eine linke Trefferlage, wie wir bereits in einem vorherigen
Kapitel festgestellt haben.
Es ist daher sehr wichtig, den Grad der Fingerkrümmung von Schuß zu Schuß
konstant zu halten, da nur so unser Gehirn die Trefferlage korrigieren
kann.Oft kommt es vor, daß man zu Beginn eines Trainings oder Turniers
die Sehne nur mit den Fingerkuppen hält und sehr sauber löst, aber mit
zunehmender Anzahl von Schüssen die Finger unbemerkt mehr und mehr krümmt,
weil einfach die Kraft in den Fingern nachläßt. Dies hat dann zur Folge,
daß die Pfeile nicht mehr da treffen wo sie sollen, und man für sich
selbst auf Anhieb dafür auch keine plausible Erklärung findet.
Ein sehr gutes Training zur Stärkung der Fingerkraft ist übrigens
das Kneten eines Tennisballs, was auch während der Schieß-Erholungsphasen
im Fernsehsessel sehr gut möglich ist.
Wenn wir uns die gekrümmten Finger der Zughand einmal näher betrachten,
werden wir feststellen, daß der Zeigefinger, bedingt durch seine Kürze,
mehr gestreckt ist, als die
beiden anderen Finger und die Sehne auch weiter vorne auf seiner Kuppe
aufliegt. Deshalb fühlt man auch meist auf dem Mittel- und Ringfinger
etwas mehr Sehnendruck als auf dem Zeigefinger.
Ich glaube, daß diese unterschiedliche Druckverteilung auf den Fingern
der Grund für das folgende, schon oft beobachtete, Verhalten ist: Viele
Schützen versuchen einen gewissen "Druckausgleich" zu schaffen
und schieben deshalb den Zeigefinger etwas mehr nach vorne. Damit liegt
die Sehne ziemlich gleichmäßig auf allen Fingerkuppen auf und der
Sehnendruck fühlt sich gleichmäßiger an. Dies hat allerdings zur Folge,
daß sich die Zughand mit der "Daumen-Seite" in Richtung Gesicht
und mit der "kleinen Finger-Seite" vom Gesicht weg nach außen
dreht. (Bild 2) Dadurch
verursachen wir einen Knick in der Sehne, der einem sauberen Lösen ganz
und gar nicht zuträglich ist. Da meist auch der Grad der Verdrehung nach
außen von Schuß zu Schuß sehr unterschiedlich ist hat dies eine
"streuende" Trefferlage auf der Scheibe zur Folge. Viele Schützen,
die ich daraufhin angesprochen habe, gaben zu, daß sie es gar nicht
bemerkt hatten, daß sie die Hand noch außen drehen. Die meisten haben
mir erzählt es fühlt sich irgendwie besser an, wenn der Druck mehr auf
allen Fingern verteilt ist.
Daraus kann man erkennen, wie wichtig es ist, seinen Schießstil von Zeit
zu Zeit in allen Bewegungsabläufen zu überprüfen. Am besten ist dazu
ein Spiegel oder noch besser eine Videokamera geeignet. Denn solche kleine
Fehlhaltungen schleichen sich fast immer unbemerkt über längere Zeit ein
und werden dann als Fehlhaltungen vom Gefühl her nicht mehr wahrgenommen.
Um ein sauberes Lösen der Sehne zu gewährleisten ist es wichtig, die
Sehne gleichmäßig zu ziehen und nicht zu verdrehen, bzw. zu
verkanten.
Ein
Schütze, der aufrecht steht und seinen Bogen senkrecht hält, hat damit
auch sehr wenig Probleme. Er greift die senkrecht verlaufende Sehne wie
vorher beschrieben und zieht sie mit der senkrecht stehenden Zughand an
seinen Ankerpunkt im Gesicht. Durch seine aufrechte Haltung ist beim Erreichen
des Ankerpunktes fast alles in einer Flucht: der Bogen, die Sehne, die
Zughand und das Gesicht. Somit ist ein Verkanten der Sehne fast
ausgeschlossen.
Warum
haben gerade viele "lnstinktivschützen" Probleme mit dem
Verkanten der Bogenhand?
Die meisten
"lnstinktivschützen" halten ihren Bogen nicht senkrecht,
sondern kippen ihn seitlich etwas ab, damit das Griffstück aus dem
Sichtfeld verschwindet und ein Konzentrieren mit beiden Augen auf das Ziel
möglich ist. Dadurch liegt auch die Sehne schräg. Um nun diese Sehne möglichst
gleichmäßig zu ziehen, ist es notwendig die Zughand mit der Daumenseite
etwas noch außen zu kippen, damit die Hand wieder parallel zur Sehne
steht. Wenn man jetzt die Sehne nach hinten zieht, wird man feststellen,
daß man den Ankerpunkt im Gesicht nicht richtig findet, weil die Hand
nach außen gekippt ist und lediglich der Ringfinger noch Kontakt zum
Gesicht bekommt. Um dies zu korrigieren, drehen nun viele Schützen die
Hand nach innen, um einen Kontakt der Finger mit dem Gesicht herzustellen.
Dabei wird allerdings die Sehne verkantet und es kommt zu den oben bereits
beschriebenen Auswirkungen. Abhilfe kann man schaffen, indem man den Kopf
etwa im gleichen Winkel wie den Bogen zur Seite kippt und versucht, mit
dem Gesicht den Kontakt zu den Fingern wieder herzustellen (Bild 3).
Die Zughand hat dann wieder mit allen Fingern Kontakt zum Gesicht und
bleibt trotzdem parallel zur Sehne, was einem Verkanten entgegenwirkt. Ein
weiterer wichtiger Punkt, der zum sauberen Lösen der Sehne beiträgt, ist
die Spannung in der Zughand. Wird der Bogen hauptsächlich
mit der Rückenmuskulatur gespannt, dann fungieren die Zughand und die
Finger lediglich als eine Art "Haken" und können deshalb
weitestgehend entspannt werden (Bild 4). Beim Lösen der
Sehne haben die Finger nur einen kurzen Weg zurückzulegen und die Sehne
kann einfach nach vorne von den Fingern gleiten. Beim Ziehen des Bogens
vorwiegend mit der Hand und dem Arm, haben die Hand und die Finger die
Tendenz sich stärker zu verkrümmen (Bild 5). Dabei müssen
die Finger beim Lösen der Sehne erst um die Sehne herumklappen, um diese
freizugeben. Eine größere Oszillation der Sehne und eine dadurch meist
von Schuß zu Schuß unterschiedliche Trefferlage sind die Folge.
Im
nächsten Teil geht es um das Ankern und den geeigneten Ankerpunkt.
©
R.Blacky Schwarz
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