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Dieser
Artikel ist im Magazin "Traditionell Bogenschiessen " Nr. 2 im
Oktober 1996 erschienen.
Wissenswertes
zum Spine-Wert
von R. „Blacky“ Schwarz
Was
ist eigentlich der Spine-Wert eines Pfeiles und welchen Spine-Wert benötige
ich für meinen Bogen?
"Hallo Blacky, ich möchte gerne Zedernschäfte bestellen."
"Welchen Spine-Wert brauchst Du denn?" "Ich brauche
11/32." "Und welchen Spine-Wert?" "Habe ich doch
gerade gesagt, 11/32."
Solche Gespräche führe ich öfters und es dauert einige Zeit um, neben
dem bereits genannten Durchmesser, auch die für den Spine-Wert nötigen
Informationen vom Kunden zu bekommen, falls er den benötigten Spine-Wert
nicht kennt. Viele Kunden sind sehr erstaunt, wenn ich außer dem
Auszugsgewicht und der Auszugs- bzw. Pfeillänge auch wissen möchte ob
sie einen Lang- oder Recurvebogen schießen, ob dieser eine Fast-Flite
oder eine Dacron Sehne hat, usw. "Was hat das alles mit meiner
Holzschaft-Bestellung zu tun?" werde ich dann gefragt.
Welche Informationen für die Bestimmung des Spine-Wertes von Bedeutung
sind und welchen Einfluß sie auf den Spine-Wert haben, möchte ich hier
erklären.
Der "Spine" ist die Steifigkeit des Pfeiles, bzw. des Schaftes.
Er wird folgendermaßen gemessen:
Der Schaft wird auf zwei Auflagepunkte, welche 26 inches (1 inch=25,4 mm)
voneinander entfernt sind, abgelegt. Nun wird der Schaft in der Mitte
zwischen den beiden Auflagepunkten mit einem Gewicht von zwei lbs (1 lb =
1 amerikanisches Pfund = 0,454 kg) belastet. Die dadurch entstehende
Durchbiegung wird in inches gemessen. Diese Durchbiegung wird dann einem
Spine-Wert, oder auch Spine-Gewicht genannt, zugeordnet. Diese Zuordnung
basiert auf Erfahrungswerten und wurde vor vielen Jahren von der A.M.O.
(Vereinigung der amerikanischen Bogen- und Zubehörhersteller)
standartisiert. Beispielsweise entspricht, nach dieser Zuordnung, eine
Durchbiegung von 0,520 inches einem Spine-Gewicht von 50 lbs.
Um den Spinewert zu messen, benötigt man einen Spinetester. Um die sehr
geringe Durchbiegung des Schaftes bei der Messung deutlich sichtbar zu
machen, verwendet man einen großen Zeiger mit einer Art Übersetzung. Der
Zeiger, der an einer Scala entlangläuft, wird zu Beginn der Messung auf
den Nullpunkt, d.h. die Ruhelage des Schaftes, eingestellt. Nach der
Belastung mit dem Gewicht von zwei lbs wird die Durchbiegung und der
entsprechende Spine-Wert auf der Scala angezeigt.
Der Schaft liegt bei der Messung so auf den Pfosten auf, daß die
Jahresringe senkrecht, also parallel, zu den Pfosten stehen. Wenn man ganz
genau messen wollte, müßte man den Schaft nach der ersten Messung um 180
Grad drehen, noch einmal messen und den Mittelwert aus beiden Messungen
bilden. In der Regel besteht aber nur eine geringe Abweichung zwischen den
beiden Werten und da die Schäfte in 5 lbs Gruppen sortiert werden ist
diese Abweichung vernachläßigbar.
In vielen Büchern und Magazinen kann man nachlesen, daß der Spine-Wert
beim Messen parallel zu den Jahresringen immer höher ist, als beim Messen
senkrecht zu den Jahresringen.
Bei
verschiedenen Meßreihen habe ich jedoch herausgefunden, daß bei ca. 45 %
der gemessenen Schäfte, der Spine, bei der Messung senkrecht zu den
Jahresringen, gleich hoch oder höher war. Da aber der Pfeil mit den
Jahresringen quer zur Sehne auf dem Bogen liegen sollte, ist es sinnvoll,
den Spinewert mit einer Messung parallel zu den Jahresringen zu ermitteln.
Auf diese Weise wird auch sichergestellt, daß alle Schäfte einer
Spine-Gruppe zusammenpassen.
Obwohl die Auflagepfosten der meisten Spinetester 26 inches
auseinanderstehen, ist der auf der Scala angezeigte Spine-Wert ist bei
fast allen Geräten für einen Pfeil mit 28 inches hochgerechnet. Das
bedeutet, wenn wir einen Rohschaft auf dem Spinetester messen und ein Meßergebnis
von 0,520 inches Durchbiegung und 50 lbs Spine-Gewicht ablesen, dann wäre
dieser Schaft geeignet einen 28" langen Pfeil für einen Bogen mit 50
lbs Auszugsgewicht zu fertigen. Allerdings für einen Bogen aus der Zeit,
in der die Zuordnung von Durchbiegung zu Spine-Wert erstellt wurde. Das wäre
z.B. ein gerader, glasbelegter Langbogen mit einer Dacron Sehne.
Da sich die heutigen Bogen in Design und Effizienz oftmals sehr stark von
den früheren Bogen unterscheiden, müssen wir den Spine-Wert an unseren
Bogen anpassen. Dazu ist es notwendig den Spinewert, ausgehend vom
Zuggewicht, zu erhöhen oder zu verringern. In nachfolgender Tabelle
findet man von mir ermittelte Durchschnittswerte.
Holzbögen:
-Selfbogen oder englischer Langbogen mit Dacronsehne
- 5 bis -10 lbs
glasbelegte Bögen:
-gerader Langbogen mit Dacronsehne
+/- 0 lbs
-reflex und reflex-deflex gearbeiteter Langbogen mit Dacronsehne
+ 5 lbs
-reflex und reflex-deflex gearbeiteter Langbogen mit Fast-Flite Sehne
+ 5 bis + 10 lbs
-Recurvebogen mit Dacronsehne
+ 5 bis +
10 lbs
-Recurvebogen mit Fast-Flite Sehne
+ 10 bis + 15
lbs
Diese Werte sind lediglich als Anhaltspunkte zu sehen und können, abhängig
vom persönlichen Schießstil und von der speziellen Bauart des Bogens,
natürlich von den tatsächlichen benötigten Werten abweichen.
Einen großen Einfluß auf die Auswahl des Spine-Gewichts hat auch die Länge
des Pfeiles. Die auf dem Spine-Tester ermittelten Werte gelten für Pfeile
mit einer Länge von 28 inches. Sollen die Pfeile kürzer oder länger als
28 inches werden, dann kann man pro inch, das der Pfeil kürzer wird, ca.
5 lbs abziehen. Im umgekehrten Fall muß man ca. 5 lbs für jedes inch
dazuzählen, das der Pfeil länger als 28 inches wird.
Nicht minder groß ist der Einfluß durch das Spitzengewicht. Ausgehend
von 125 grains
(= 8,1 Gramm) Spitzengewicht kann man pro 25 grains Mehr- bzw.
Mindergewicht etwa 3 bis 5 lbs dazuzählen bzw. abziehen. Das bedeutet,
bei Verwendung einer 100 grains schweren Spitze kann man im Spine-Gewicht
etwa 3 bis 5 lbs nach unten gehen.
Durch das Anbringen eines Bogenköchers verringert sich ebenfalls der benötigte
Spine-Wert um circa 3 bis 5 lbs. Diese Angaben sind eigene Erfahrungswerte
und können bei verschiedenen Bogen stark differieren. Denn die
Verringerung des Spine-Wertes ist nicht nur abhängig vom Eigengewicht des
Bogens, sondern auch vom Gewicht und dem Design des Köchers, sowie der
Art der Köcherbefestigung.
Das gleiche gilt für die Sehne. Eine dünne und damit leichtere Sehne,
egal ob Fast-Flite oder Dacron, benötigt einen höheren Spine-Wert als
eine dicke, schwerere Sehne aus dem gleichen Material. Alles was ich zum
Gewicht der Sehne addiere, wie zum Beispiel Sehnengeräuschdämpfer oder
eine längere Mittelwicklung, verringert das benötigte Spine-Gewicht.
Erfahrungswerte hierüber habe ich allerdings noch nicht.
Beispiel zur Spine-Wert Bestimmung:
Ich schieße einen Recurvebogen, ohne Bogenköcher, mit einer Fast-Flite
Sehne, der 56 lbs Zuggewicht bei einem Auszug von 28 inches hat ( 56 # @
28" ). Da ich diesen Bogen aber nur knapp über 27 inches ausziehe,
hat der Bogen ein Zuggewicht von 53 lbs bei meinem Auszug. Die Pfeile, die
ich mir fertigen möchte, sollen mit Jagdspitzen bestückt werden und
sollen aus Sicherheitsgründen 29 inches lang sein. Damit ist gewährleistet,
daß die Jagdspitze bei vollem Auszug genügend weit vor dem Griffstück
steht. Meine Jagdspitzen haben ein Gewicht von 150 grains.
Berechnung
des zum Bogen passenden Spine-Wertes:
-Zuggewicht
53 lbs
-Recurvebogen mit Fast-Flite Sehne
+ 10 bis + 15 lbs
-Pfeil ein inch länger als 28 inches
+ 5 lbs
-Spitze 25 grains schwerer als 125 grains
+ 5 lbs
-------------------------
73 bis 78 lbs
Laut dieser Berechnung benötige ich also einen Pfeil zwischen 73 und 78
lbs. Da aber die Spine-Gewichte bei den Händlern fast immer in 5 lbs
Abstufungen erhältlich sind (65-70, 70-75, 75-80 etc.) könnte ein Pfeil
der Gruppe 70 bis 75 lbs aber auch einer zwischen 75 und 80 lbs gut
fliegen.
Um dies zu testen fertigt man sich einige Pfeile der niederen und einige
Pfeile der höheren Spine-Gewichtsgruppe. Am Flugverhalten kann man sehen,
welche Pfeile besser geeignet sind. Man sollte auf jeden Fall mehrere
Pfeile einer Spine-Gewichtsgruppe fertigen, da bei nur einem Pfeil die
Gefahr besteht den höchsten bzw. den niedrigsten Spine-Wert dieser Gruppe
zu erwischen. Wer einen eigenen Spine-Tester besitzt ist hier natürlich
im Vorteil. Es kann allerdings auch vorkommen, daß beim testen beide
Pfeilgruppen augenscheinlich gleich gut fliegen. Das wäre der Fall, wenn
der Bogen einen 75 lbs Pfeil benötigt und die Pfeile der ersten Gruppe
bei 74 bis 75 lbs und die Pfeile der anderen Gruppe bei 76 bis 77 lbs
liegen. Dann ist der Unterschied im Flugverhalten fast nicht erkennbar.
Will man den zum Bogen passenden Spine-Wert genau bestimmen, sollte man
einen Rohschaft-Test durchführen, indem man einen unbefiederten Pfeil
schießt und diesen solange kürzt, bis er entweder gerade fliegt oder zu
kurz ist. Sollte der Pfeil zu kurz werden bevor er gerade fliegt, muß man
eine Spine-Wert-Gruppe höher wählen und erneut kürzen.
Das Thema Rohschafttest hier ausführlich zu behandeln würde allerdings
den Rahmen dieses Artikels sprengen und wird deshalb in einer zukünftigen
Tuning-Serie ein eigenes Kapitel werden.
Eines möchte ich allerdings vorwegnehmen. Beim Rohschafttest ist eine
Abweichung im Spine-Wert von zwei lbs bereits zu erkennen. Aber diese
Abweichungen, die in Schaftgruppen mit 5 lbs
Abstufungen zwangsläufig vorhanden sind, werden durch die
Stabilisierungs- und Steuerfunktion der Befiederung ausgeglichen.
Problematisch wird es allerdings, wenn die Abweichungen größer werden.
Das ist der Fall, wenn die Schäfte zwar in der richtigen
Spine-Gewichtgruppe (z.B. 55-60 lbs) gekauft wurden, aber die Schäfte
teilweise erheblich von diesen Werten abweichen. Größere Abweichungen im
Spine-Gewicht können nicht mehr von der Befiederung kompensiert werden.
Und so ist es zu erklären, daß bei einem Dutzend Pfeile manchmal ein bis
mehrere Pfeile irgendwie nicht sauber fliegen.
Da ich alle Schäfte, die ich verkaufe, mit einem Spine-Tester nachprüfe,
kann ich mir zwischenzeitlich ein Urteil über die Qualität der
maschinellen Messungen, bei Herstellern von Zedernschäften, in den USA
machen.
Beispielsweise lagen von einer Lieferung Zedernschäfte im Spine-Gewicht
von 70 bis 75 lbs, die ich über einen amerikanischen Händler bezog und
der die Schäfte natürlich nicht nachgemessen hat, gerade mal 38 % in
dieser Spine-Gruppe. Die anderen Schäfte waren verteilt auf
Spine-Gewichte von 40 lbs als niedrigster Wert bis zu 105 lbs als höchster
Wert.
Man sieht also, daß der Kauf von Holzschäften Vertrauensache ist und wer
keinen Spine-Tester besitzt, sollte sich auf seinen Händler verlassen können.
Schäfte, die von Hand auf ihren Spine-Wert geprüft wurden, sind durch
den Mehraufwand in der Regel teurer, als Schäfte, die von Maschinen geprüft
werden.
Ich hoffe mit diesem Artikel die Auswahl des Spine-Wertes für die nächsten
Pfeile etwas erleichtert zu haben.
© Rainer "Blacky" Schwarz
08.09.1996
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